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Finanzen

Recht

31.05.2022

Nahversorgung aus steuerlicher Sicht

Vor allem im ländlichen Bereich kämpfen viele Gemeinden mit der Aufrechterhaltung der Grundversorgung ihrer Mitbürger, deren wesentlicher Bestandteil unter anderem auch die Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfes ist. Bei der Ansiedelung von neuen Nahversorgern sind neben den rechtlichen Fragestellungen auch steuerliche Aspekte zu beachten. Drei mögliche Fallvarianten:

Gemeinde betreibt den Nahversorger selbst

Der Betrieb eines Nahversorgers (Ansatz 859) ist dann als Betrieb gewerblicher Art (BgA) anzusehen, wenn die Kriterien gem. § 2 Abs. 1 KStG allesamt erfüllt werden:

a. Wirtschaftliche Selbständigkeit

Die ausgeführte Tätigkeit hebt sich von der sonstigen Gemeindetätigkeit ab: Ein gewisser vorhandener Personal- und Materialeinsatz sowie die Verbuchung der Einnahmen und Ausgaben auf einem eigenen Haushaltsansatz sind Kriterien bzw. Indizien, dass eine eigenständige Organisationseinheit mit gewerblichem Charakter besteht.

b. Ausschließliche oder überwiegend nachhaltige privatwirtschaftliche Tätigkeit von wirtschaftlichem Gewicht

Die Gemeinde wird mit der ausgeübten Tätigkeit privatwirtschaftlich tätig. Grundsätzlich kann jede Lebensmittelkette in der Gemeinde einen Standort eröffnen und betreiben. Die Tätigkeit des Nahversorgers wird laufend ausgeführt, wodurch sie als nachhaltig einzustufen ist.

Mit regelmäßigem Überschreiten der Nettoeinnahmengrenze von 2.900 Euro pro Jahr wird auch das Kriterium des wirtschaftlichen Gewichtes erfüllt.

c. Erzielung von Einnahmen oder im Falle des Fehlens der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr von anderen wirtschaftlichen Vorteilen

Mit der Tätigkeit erzielt die Gemeinde regelmäßig Einnahmen, unabhängig davon, ob mit der Tätigkeit ein Gewinn oder Verlust erzielt wird.

d. Keine Tätigkeit der Land- und Forstwirtschaft

Der Betrieb eines Nahversorgers bzw. Lebensmitteleinzelhandels stellt generell eine gewerbliche Tätigkeit dar.

Folgen

Bei Erfüllung aller Kriterien liegt ein BgA gemäß § 2 Abs. 1 KStG vor. Grundsätzlich ist aufgrund der unbeschränkten Steuerpflicht von der zuständigen Finanzverwaltung eine Körperschaftsteuernummer für den Betrieb zu vergeben, sowie durch die Gemeinde jährlich eine Steuererklärung samt Jahresabschluss (Bilanz und GuV oder als Alternative eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung) abzugeben.

Beträgt der Vorjahresumsatz in zwei aufeinander folgenden Jahren mehr als 700.000 Euro, ist die Gewinnermittlung zwingend gemäß § 5 Abs. 1 EStG durchzuführen. Gewinne (nach Abzug allfälliger in den Vorjahren entstandener Verlustvorträge) sind mit 25 Prozent steuerpflichtig. Aus verwaltungsökonomischer Sicht unterbleibt die Vergabe einer Steuernummer seitens des Finanzamtes bei Betrieben mit laufenden Verlusten.

Die Tätigkeit als Nahversorger ist aufgrund der Erfüllung der Kriterien des § 2 Abs. 1 KStG gemäß § 2 Abs. 3 UStG als unternehmerische Tätigkeit der Gemeinde im umsatzsteuerlichen Sinne einzustufen. Die Umsätze unterliegen den Steuersätzen gemäß § 10 UStG. Der Vorsteuerabzug steht bei Erfüllung der Voraussetzungen gemäß § 12 UStG zu.

Zu beachten ist weiters, dass gemäß § 1 Abs. 3 Z. 3 NÖ GVBG zu kontrollieren ist, ob aufgrund der wirtschaftlichen Unternehmung der Gemeinde das NÖ Vertragsbedienstetengesetz zur Anwendung kommen kann.

2. Möglichkeit: Gemeinde verpachtet ein vorhandenes Lebensmittelgeschäft

Überlässt die Gemeinde einen vorhandenen BgA „Nahversorger“ an einen Unternehmer, spricht man von einer Betriebsverpachtung. Diese entgeltliche Überlassung eines BgA gemäß § 2 Abs. 2 Z. 2 KStG begründet einen BgA, wenn

  • die Tätigkeit bei Selbstführung durch die Gemeinde alle Merkmale eines BgA gemäß § 2 Abs. 1 KStG erfüllt (siehe oben Punkt 1),
  • aus der Überlassung zumindest jährliche Nettoeinnahmen in Höhe von 2.900 Euro erzielt werden und
  • die überlassenen Wirtschaftsgüter die Betriebsgrundlage für die vom Nutzenden ausgeübte Tätigkeit darstellen.

Werden alle Kriterien erfüllt, kommt es bei der Überlassung des BgA gemäß § 2 Abs. 2 Z. 2 KStG zur Begründung eines eigenen unbeschränkt steuerpflichtigen BgA.

Grundsätzlich ist bei Erfüllung der Voraussetzung der BgA mit einer eigenen Steuernummer für die Körperschaftsteuer zu registrieren. Mit der Vergabe einer eigenen Steuernummer ist in weiterer Folge jährlich eine Steuererklärung inkl. Bilanz und GuV (oder als Alternative eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung) abzugeben. Gewinne (nach Abzug allfälliger in den Vorjahren entstandener Verlustvorträge) sind mit 25 Prozent steuerpflichtig. Aus verwaltungsökonomischer Sicht wird für einen BgA mit laufenden Verlusten jedoch keine Steuernummer vergeben.

Des Weiteren ist auch die Verpachtung eines Betriebes gemäß § 2 Abs. 3 UStG als unternehmerisch einzustufen. Da für die ausgeübte Tätigkeit keine Steuerbefreiung laut § 6 Abs. 1 UStG anwendbar ist, sind die Einnahmen zu versteuern und mit 20 Prozent Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen. Ein allfälliger Vorsteuerabzug aus Vorleistungen steht unter Anwendung der Voraussetzungen des Umsatzsteuergesetzes zu.

3. Gemeinde vermietet die vorhandenen Geschäftsflächen

Neben den Betrieben gewerblicher Art gemäß § 2 KStG wird die Vermietung von Grundstücken durch Gemeinden als Körperschaften öffentlichen Rechts als unternehmerische Tätigkeit angesehen. UStR Rz 265 definiert weiters die Voraussetzungen für die Anerkennung der Vermietung durch die Finanzverwaltung:

  • Der Abschluss eines entgeltlichen Mietvertrages im Sinne des § 1090 ABGB zwischen der Gemeinde als Vermieter und dem Mieter ist eine Grundvoraussetzung zur Anerkennung eines Mietverhältnisses. Bitte beachten Sie, dass schriftlich abgeschlossene Verträge eine höhere Beweiskraft haben, als lediglich mündlich vereinbarte Abmachungen.
  • Eine weitere wichtige Voraussetzung zur Anerkennung des Mietverhältnisses aus umsatzsteuerlicher Sicht ist die Verrechnung einer ausreichend hohen Miete durch die Gemeinde. Die Verrechnung eines reinen Anerkennungszinses ist für die steuerliche Anerkennung nicht ausreichend. [1]
    Gemäß UStR Rz 265 hat die Gemeinde als Vermieterin zumindest die Betriebskosten im Sinne der §§ 21 bis 24 MRG (sofern diese nicht direkt vom Mieter übernommen werden) zzgl. einer anhand der AfA-Komponente errechneten Mindestmiete in Rechnung zu stellen.

    Die AfA-Komponente beträgt 1,5 Prozent der Anschaffungs- und Herstellungskosten inkl. Grund und Boden zzgl. aller vorgenommenen aktivierungspflichtiger Aufwendungen sowie Kosten für Großreparaturen, welche auf das vermietete Objekt entfallen. Die Bemessungsgrundlage wird durch Subventionen bzw. Zuwendungen iSd § 3 Abs. 1 Z 6 EStG nicht gekürzt.
    Sofern keine Aufzeichnungen mehr über die tatsächlichen Kosten vorhanden sind, können diese geschätzt werden. Ein unentgeltlich erworbener Grund und Boden (z.B. Schenkung) kann bei der Berechnung der Mindestmiete außer Ansatz gelassen werden.

    Zu beachten ist weiters, dass die von der Gemeinde selbst aufgewendeten Aufwendungen zur Anmietung eines Objektes (u. a. Miete, Betriebskosten) bzw. Drittkosten zumindest in der gleichen Höhe an den Mieter weiter zu verrechnen sind.
    Wird die jährliche Mindestmiete unterschritten, besteht gemäß UStR Rz 265 kein umsatzsteuerliches Mietverhältnis. Es ist keine Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen und der Vorsteuerabzug steht nicht zu. Allfällig bereits geltend gemachte Vorsteuern sind auf eine Berichtigung gemäß § 12 Abs. 10 UStG zu kontrollieren und gegebenenfalls in der UVA zu berichtigen. Zur Minimierung des Risikos, die jährliche Mindestmiete zu unterschreiten, sollte mit einem höher festgelegten Mietentgelt entgegengewirkt werden. Des Weiteren empfiehlt sich eine vertraglich fixierte Indexierung des Mietentgeltes.

Die Vermietung von Geschäftsräumlichkeiten für einen Lebensmittelhändler bzw. Nahversorger fallen unter die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z. 16 UStG. Die Miete ist grundsätzlich ohne Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen und der Vorsteuerabzug für Vorleistungen und laufende Aufwendungen steht nicht zu. Gemäß § 6 Abs. 2 UStG besteht die Möglichkeit zur Option in die Steuerpflicht, welche jedoch durch das 1. StabG 2012 in der Anwendung eingeschränkt wurde. Die Optionsmöglichkeit zur Steuerpflicht ist abhängig vom Zeitpunkt der Gebäudeerrichtung bzw. davon, ob das Gebäude von der Gemeinde käuflich erworben wurde.

Bei Gebäuden, welche nach dem 31.8.2012 von der Gemeinde selbst errichtet wurden bzw. generell käuflich erworben wurde, kann nur mehr dann in die Option zur Steuerpflicht optiert werden, wenn der Mieter das Grundstück oder den baulich abgeschlossenen Gebäudeteil nahezu ausschließlich für Umsätze verwendet, welche den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (zumindest jedoch 95 Prozent umsatzsteuerpflichtige Umsätze).

Bei Gebäuden, welche vor dem 1.9.2012 von der Gemeinde selbst errichtet oder zu errichten begonnen wurden, steht der Gemeinde als Vermieterin – unabhängig von der Tätigkeit des Mieters – nach wie vor die uneingeschränkte Möglichkeit der Option in die Steuerpflicht zur Verfügung.

Da die Vermietungstätigkeit durch die Gemeinde in der Körperschaftsteuer als vermögensverwaltend einzustufen ist, fällt für laufende Überschüsse keine Körperschaftsteuer an (Achtung jedoch im Zusammenhang mit der umsatzabhängigen Pacht! Diese fällt wiederum unter die Körperschaftsteuer). Zu beachten ist jedoch, dass bei einem allfälligen Verkauf des Mietobjektes eine Immobilienertragsteuer gemäß § 30 EStG anfallen kann. Zudem ist bei einem umsatzsteuerfreien Verkauf zu kontrollieren, ob Vorsteuerberichtigungen gemäß § 12 Abs. 10 UStG vorgenommen werden müssen.

Zusammengefasst stellt jede der Fallvarianten für sich betrachtet eine gute Lösungsvariante für das Nahversorgerproblem in den Gemeinden dar. Ob und inwieweit diese aus steuerlicher Sicht Anwendung finden können, hängt wiederum von den Gegebenheiten vor Ort ab.

[1] VwGH 29. 5. 2018, Ra 2017/15/0022; Mag. Birgit Bleyer, LL. M. ÖStZB 2018, 694

-U. STINGL-LÖSCH

Zur Autorin

Ursula Stingl-Lösch ist Steuerberaterin und Geschäftsführerin der NÖ Gemeinde Beratungs & SteuerberatungsgesmbH.

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