Vor mehr als 20 Jahren, mit 1.1. 2002 wurde in Österreich der Euro eingeführt. Doch wussten Sie, dass hierzulande auch heute noch andere Währungen im Umlauf sind? Von den offensichtlichen Zahlungsmitteln wie dem Schilling – der vereinzelt an manchen Verkaufsstellen als Marketing-Gag immer noch akzeptiert wird – oder Kryptowährungen wie Bitcoin gibt es in Österreich auch regionale oder lokale Währungen.
Was sind Regionalwährungen und was bringen sie?
Sogenannte Komplementärwährungen stellen Ergänzungen zu Währungen dar – sie sind sozusagen Zweitwährungen, deren Gültigkeit von der Zustimmung der sie verwendenden Marktteilnehmer:innen abhängt. Sie basieren auf Freiwilligkeit und sind kein Ersatz für nationale Währungen, sondern zielen darauf ab, als alternative Geldmodelle Schwachstellen und potentiell negative Effekte nationaler Währungen abzufedern oder zu verhindern. Regionale Formen davon haben zum Ziel, mithilfe ungenutzter Ressourcen auf regionaler Ebene bislang unbefriedigte Bedürfnisse zu stillen.
Die Absicht von Regionalwährungs-Initiativen ist in der Regel, das Geld vor dem Abfluss aus der Region zu schützen und dadurch die lokalen Produzent:innen und Betriebe zu fördern. Oftmals bekommen die Nutzer:innen von Regionalwährungen gewisse Begünstigungen: Bei manchen Modellen gibt es für die Konsument:innen Rabatte, wenn sie mit Regionalwährungen zahlen. Bei anderen besteht der Anreiz darin, dass ein Prozentsatz der Kaufsumme an einen gemeinnützigen Verein gespendet wird.
Aus wirtschaftlicher Sicht müssten Regionalwährungen ein Publikum von mindestens 10.000 Menschen haben, um tatsächlich eine nachhaltige Wirkung zu erreichen. In der Realität bewegen sich die Mitgliederzahlen von Regionalwährungen jedoch nur zwischen wenigen Dutzend bis zu mehreren hundert Personen. Trotzdem sind alternative Geldmodelle in manchen Regionen sehr beliebt.
Welche Vor- und Nachteile haben Regionalwährungen?
Zu den Vorteilen – aus Sicht der Betreibenden – zählt vor allem der Schwerpunkt auf die lokale und regionale Wirtschaft, aber auch die Stärkung der Identifizierung mit der Region. Ein Überblick über die Vorteile:
- Kaufkraft bleibt in der Region
- Wettbewerbsverzerrung zugunsten lokaler Dienstleister:innen und Produzent:innen
- Stärkt lokale Wirtschaft
- Stärkt Gemeinnützige Vereine und Gemeinwohl-Aktivitäten
- Identifizierung mit der Region
- Touristische Zwecke
Der größte Nachteil besteht wohl in den Transaktionskosten und den damit verbundenen Unbequemlichkeiten, wenn man im eigenen Land Geld wechseln muss.
Der größte Unterschied zu herkömmlichen Währungen ist die beschränkte Nutzbarkeit der Regionalwährung. Erstens wird sie nur in teilnehmenden Betrieben als Zahlungsart akzeptiert. Anders als etwa beim Euro gibt es auch nicht die Option zu sparen. Das Ziel einer Regionalwährung ist nämlich, sie so rasch wie möglich loszuwerden, um die Geldzirkulation in der Region anzukurbeln. Deshalb sind die Geldscheine oft mit einem Ablaufdatum versehen.
Beat Weber von der Oesterreichischen Nationalbank drückt es so aus: „Die Pointe jeder Währung ist ja, dass man sie breit und nach eigenem Ermessen einsetzen kann – bei Regionalwährungen geht das nicht.“ Er sieht darin eine beschränkte Entscheidungsfreiheit für Konsument:innen.
„Aus Sicht lokaler Betriebe ist eine Regionalwährung natürlich vorteilhaft. Für Konsumenten fehlt aber ein Anreiz. Will man bewusst lokal einkaufen, so kann man das auch mit Euros machen“, so der Experte. Der einzige wirkliche Anreiz seien demnach Rabatte auf den Einkauf.
Welche Regionalwährungen gibt es in Österreich?
Die meisten Regionalwährungen sind in ländlichen Regionen zu finden. In Vorarlberg sind sie besonders beliebt – dort gibt es gleich fünf verschiedene regionale Währungen (die mehr oder weniger aktiv sind):
- Klostertaler
- Walsertaler,
- Walgauer
- Langenegger Talente
- V-Thaler
Langenegger Talente feiern Erfolgsgeschichte
Die Langenegger Talente sind ein Beispiel für eine reine Lokalwährung – die Nutzweite ist auf die Gemeinde Langenegg beschränkt. Die Gemeinde hat 1.160 Einwohner:innen – 20 Prozent der Haushalte beziehen ein monatliches Abo für die Regionalwährung, in zehn Jahren seit der Einführung wurden für 1,5 Millionen Euro Langenegger Talente eingetauscht. Die Auswirkung auf die lokalen Betriebe kann sich sehen lassen: Im Jahr 2021 wurden 484.000 Euro an Wertschöpfung im Dorf mit Langenegger Talenten erzielt. Der Schwund liegt bei nur ca. 1,5 Prozent.
Die Entstehungsgeschichte ist ebenfalls spannend: Nach der Schließung des Dorfladens wurde händeringend nach einem neuen Nahversorger gesucht. Die Langenegger Gemeindeverantwortlichen setzten sich dafür ein, die Bevölkerung verstärkt an den örtlichen Nahversorger zu binden. So wurden gemeinsam mit der ALLMENDA Social Business eG und der örtlichen Raiffeisenbank die Langenegger Talente gegründet.
Bezahlen kann man damit nicht nur im Dorfladen und Handel, sondern auch in der Sennerei, in der Gastronomie, bei Dienstleistungsbetrieben und bei Handwerkern. Bei jedem Einkauf gibt es 3 Prozent Rabatt. Inzwischen werden auch alle Gemeindeförderungen (rund € 40.000,00) mit Langenegger Talenten ausbezahlt. Die Gemeinde Langenegg hat im Jahr 2010 den europäischen Dorferneuerungspreis gewonnen – auch die funktionierende Dorfwährung war ein Grund dafür.
Weitere Regionalwährungen sind unter anderem der EnnsTaler, die Tiroler Stunde – zur Vergütung von Gemeinschaftsarbeit mit Werteinheit von einer Stunde – die steirischen Regionalwährungen Erzi, Zeller, Ausseer Taler, Judenburger Gulden und Sass-Taler, der niederösterreichische Triestingtaler, der Neulengbacher 10er oder der Gösingtaler und der Blaufrank (Grenzregion Burgenland-Ungarn). An Arbeitszeit als Werteinheit orientiert sich auch die WIR-Stunde, eine Grenzen-überschreitende Regionalwährung.
Koordiniert werden die meisten Regionalwährungen vom Büro Allmenda, einer genossenschaftlich geführten Bürogemeinschaft in Dornbirn. Im Büro Allmenda werden Konzepte entwickelt und Beratung, Umsetzung und Abrechnung angeboten. Sie kümmern sich um rechtliche Auflagen, das System der Regionalwährungen muss etwa auch von der Finanzmarktaufsicht geprüft werden.
Was bringt eine Regionalwährung einer Gemeinde?
Der EnnsTaler ist im oberen Ennstal in Oberösterreich um Umlauf. Bei einem Rundruf in den verschiedenen teilnehmenden Gemeinden zeigen sich unterschiedliche Meinungen bezüglich der Regionalwährung.
Martin Haider, Bürgermeister der Gemeinde Maria-Neustift ist Feuer und Flamme für die Regionalwährung. Er bedauert einzig, dass der lokale Lebensmittelhandel nicht mitmacht. Dies wäre eine große Stärkung für die regionale Lebensmittelproduktion. Auch als Geschenk ist der EnnsTaler sehr beliebt. Der Bürgermeister verdeutlicht die Hebelwirkung der Regionalwährung an einem Beispiel: „Je nachdem, ob ich gerade Euro oder EnnsTaler in der Geldtasche habe, entscheidet sich, wo ich für größere Einkäufe hinfahre – in die Bezirkshauptstadt Steyr oder in eine umliegende Gemeinde, die den EnnsTaler nimmt“. Der Bürgermeister denkt, dass es mehr Werbung brauche, um noch mehr Menschen zur bewussten Nutzung des EnnsTalers zu motivieren.
Sein Nachbar-Bürgermeister sieht das differenzierter: „Insgesamt halte ich das für eine gute Sache.“ Günther Großauer ist mit seiner Gemeinde Großraming auch beim EnnsTaler dabei. E betont aber, dass das Ziel – die lokale Wirtschaft zu stärken – einfacher zu erreichen wäre, würde man das Werbebudget für die Regionalwährung in mehr Bewusstseinsbildung investieren. Es sei oft die Bequemlichkeit, die verhindere, dass Bürger:innen den EnnsTaler nutzen. Dazu kommt, dass die Gemeindeverwaltung das Geld offiziell nicht annehmen dürfe.
Wunder von Wörgl
Nicht vergleichbar sind die derzeit aktiven Komplementärwährungen mit dem Wörgler Schwundgeld – im Volksmund das „Wunder von Wörgl“ –, das während der Großen Depression Anfang der 1930er Jahre aus einem Experiment heraus entstand und eine solch mächtige Eigendynamik entwickelte, dass es teils unter Gewaltandrohung auf Anordnung des Bundeskanzleramts beendet wurde.
Fazit
Regionalwährungen verfolgen in erster Linie das Ziel, die lokale Wirtschaft zu stärken. Für touristische Zwecke lassen sie sich gut vermarkten. Ihr tatsächlicher Beitrag für die Wertschöpfung in der Region hält sich jedoch in Grenzen – dafür bräuchte es mehr Anreiz für Konsument:innen. Wie der Experte von der Nationalbank betont: „Wirtschaftlich gesehen haben Regionalwährungen eine sehr geringe Bedeutung“. Eine Gemeinde-Währung vermag es wohl nicht, die Auswirkungen von Globalisierung, Teuerung und Lieferengpässen abzufedern. Was sie aber kann, ist die Marke der eigenen Gemeinde und den Zusammenhalt zu stärken. „Aus soziologischer Sicht kann es wohl einen gemeinschaftsstiftenden Charakter haben“, so Weber.
-E. SCHUBERT