Die Häufigkeit und Intensität von Hagelunwettern haben in den vergangenen Jahren bedingt durch die generellen klimatischen Veränderungen österreichweit zugenommen. Die Auswirkungen solcher Hagelunwetter stellen vor allem für Gebäude eine große Bedrohung dar und die Höhe der Schäden steigt:
Der Hagel nimmt punkto Sachschäden mittlerweile eine dominierende Rolle unter den Naturgefahren ein. Allein im Jahr 2021 verursachten Hagelereignisse in Österreich eine Schadenssumme von rund 1,1 Milliarden Euro.
Näheres zu den Gefährdungszonen durch Hagel finden Sie hier.
Alle Gebäude sind gefährdet
Gefährdet sind grundsätzlich alle Gebäude, je nach Region nur in unterschiedlich starkem Ausmaß. Die Abbildung unten zeigt, welche Teile eines Gebäudes hauptsächlich von Hagelschäden betroffen sind, wobei das Dach naturgemäß den größten Anteil darstellt.
Damit rückten in letzter Zeit zunehmend die solaren Energiegewinnungsanlagen in den Mittelpunkt: 2021 wurde mit 740 Megawattpeak (MWp) der Zubau an PV-Anlagen im Vergleich zum Jahr 2020 nochmals verdoppelt.
Doch die Module sind in der Regel entweder auf Dach- oder Freiflächen (in 90 Prozent der Fälle) bzw. auf Fassaden montiert. Daraus kann abgeleitet werden, dass die Produkte sich bei Hagelereignissen – im Vergleich zu anderen Naturgewalten – an stark exponierten Stellen befinden. Deshalb sollten die Module hart im Nehmen sein. Die Hagelgewitter im Sommer 2021 haben jedoch gezeigt, dass die Praxis auch anders aussehen kann.
Dabei wären Schäden vielfach vermeidbar oder zumindest reduzierbar, würde präventiv auf das Thema Hagelschutz geachtet. Eine Sensibilisierung der Bevölkerung über die Möglichkeiten des Hagelschutzes am Gebäude und speziell auch für PV-Anlagen leistet daher einen wichtigen Beitrag zur Reduktion der Sachschäden in Österreich und entlastet Gemeinden, Versicherungen und BürgerInnen.
Wie funktioniert Hagelschutz am Gebäude und speziell für PV-Anlagen?
Sowohl für bestehende Gebäude aber insbesondere natürlich für neue Bauvorhaben sollte im ersten Schritt eine Überprüfung der Hagelgefährdung erfolgen. Dafür müssen die standortspezifischen Rahmenbedingungen abgeklärt werden.
In Österreich wurden alle vorhandenen Aufzeichnungen von Hagelschlägen durch die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) ausgewertet. Aufbauend auf diesen Daten wurde für Österreich die Hagelzonierungskarte erstellt. Sie ist unter der Internetadresse www.hora.gv.at kostenlos abrufbar.
Somit kann jeder die individuelle Hagelgefährdung seines Standortes in Österreich anhand der Hagelgefährdungskarte abfragen. Eine neue Version der Hagelgefährdungskarte ist aktuell in Ausarbeitung und wird voraussichtlich 2023/24 veröffentlicht.
Schon beim Bau auf resistentes Material achten
Im zweiten Schritt sollten dann beim Gebäude hagelresistente Baumaterialien zum Einsatz kommen: Hersteller von Baumaterialien lassen diese mittels Hagelsimulationsmaschine auf ihre Hagelresistenz überprüfen. Basierend auf dem Durchmesser des Hagelkorns, dem ein Bauprodukt in der Prüfung schadenfrei widersteht, erfolgt die Einordnung in die Hagelwiderstandsklasse.
Grundsätzlich wird in fünf Hagelwiderstandsklassen (HW 1 bis 5) klassifiziert: Die Hagelwiderstandsklasse 1 (HW 1) beispielsweise wird definiert durch die kinetische Energie beim Aufprall eines Hagelkorns mit 10 mm Durchmesser, bei HW 2 sind es 20 mm Durchmesser, bei HW 3 bereits 30 mm Durchmesser und bis zu HW 5 dann 50 mm Durchmesser. Wird ein Bauprodukt beispielsweise in die Hagelwiderstandsklasse HW 3 klassifiziert, so bleibt es beim Aufprall eines Hagelkorns von 30 mm Durchmesser schadenfrei.
Die Prüfergebnisse können die Hersteller anschließend in das öffentlich einsehbare Hagelregister eintragen lassen. So können Bauherrn und GebäudeeigentümerInnen einfach hagelresistente Baumaterialien suchen und finden.
Welche PV-Module verwenden?
Die Produktgruppe der PV-Module ist bereits mit vielen Einträgen im Hagelregister vorhanden: Aktuell sind 45 Produkte eingetragen, davon weisen 6 Produkte einen Hagelwiderstand von HW5 auf, 13 Produkte einen HW4 und 26 Produkte einen HW3.
Bei den PV-Modulen kann als „Faustregel“ die Deckglasstärke der Module in Millimeter umgemünzt werden auf die Hagelwiderstandsklasse in Zentimeter, d.h. 3 Millimeter Deckglasstärke bedeuten im Regelfall einen Hagelwiderstand HW 3. Jeder mm Deckglasstärke entspricht also ungefähr einem Zentimeter Hagelkorngröße.
Je dicker demnach die Glasschicht ausgeführt ist, umso mehr hält es aus. Der Standard sind in der Regel eine Deckglasstärke von ca. 3,0 mm. Beträgt die Dicke mindestens 3 mm und wurde das Produkt nach IEC 61215 oder IEC 61646 erfolgreich geprüft, so wird es prüfungsfrei in das Hagelregister eingetragen.
Empfehlenswert für den Einsatz beispielsweise in Oberösterreich sind Produkte ab HW 4, da dies die dominierende und im Nutzungszeitraum einer Energiegewinnungsanlage einmal zu erwartende Hagelkorngröße ist. Auch zeigen die Ereignisse der letzten Jahre, dass die Größe der Hagelkörner bei den auftretenden Hagelereignissen tendenziell zunimmt. Dieser Entwicklung kann daher nur durch Prävention entgegengewirkt werden und so das Risiko für Schäden minimiert werden.
Mit der Hagelgefährdungskarte und dem Hagelregister stehen frei zugängliche, umfassende und einfach zu handhabende Instrumente zur Verfügung, um einerseits aus Sicht der Bevölkerung eigenverantwortlich die Sicherheit der eigenen Wohnobjekte zu erhöhen und andererseits aus Sicht der Gemeinden den Gesamtschaden an Gebäuden und Infrastruktur zu minimieren.
-M. LEIBETSEDER
Zur Autorin
Miriam Leibetseder ist Technikerin beim EPZ, Elementarschaden Präventionszentrum.