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18.01.2023

Ausbau erneuerbarer Energien auf Kosten der Gemeindeautonomie?

Im Anschluss an die Regierungsklausur in Mauerbach kommunizierte die Bundesregierung, für einen Turbo beim Ausbau der erneuerbaren Energien sorgen zu wollen. Genannt wurden u.a. Vereinfachungen bei den Umweltverträglichkeitsprüfungen und schnellere Genehmigungsverfahren für Photovoltaikanlagen.

Was nicht gesagt wurde: Viele der Vorschläge sind aufgrund einer unmittelbar wirksamen EU-Notfallverordnung bereits seit 30. Dezember in Kraft.

Gemeinden verlieren Genehmigungskompetenzen

Letzten Sommer präsentierte die EU-Kommission einen Vorschlag, wie der Ausbau erneuerbarer Energie beschleunigt werden kann, den sog. Repower EU-Verordnungsvorschlag. Dieser sollte die damals schon in Verhandlung befindlichen Energiedossiers (Erneuerbare Energierichtlinie, Gebäuderichtlinie, Energieeffizienzrichtlinie) ergänzen und im Angesicht der Gaskrise für den schnelleren Ausbau erneuerbarer Quellen sorgen. Da all dies im normalen Gesetzgebungsverfahren erst in einigen Jahren zur Umsetzung gekommen wäre, legte die Kommission mit dem Vorschlag für eine Notfallverordnung Anfang November nach. Ohne Mitwirkung des EU-Parlaments beschloss der Rat Ende Dezember, den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen. Die Verordnung (EU) 2022/2577 des Rates vom 22. Dezember 2022 zur Festlegung eines Rahmens für einen beschleunigten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien trat nach Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in allen Mitgliedstaaten in Kraft.

Durch das unmittelbare Inkrafttreten sind auch Länder und Gemeinden als Raumordnungs- und Genehmigungsbehörden betroffen. Für die Gemeinden bedeutet dies, dass sie – von Land zu Land unterschiedlich – gewisse Mitspracherechte und Genehmigungskompetenzen im Bau- und Raumordnungsrecht verlieren.

Besonders hervorzuheben sind folgende Bestimmungen:

Art. 3, Überwiegendes öffentliches Interesse: Der Ausbau und die Kapazitätserweiterung von erneuerbarer Energie liegen im überwiegenden öffentlichen Interesse. Arten- und Vogelschutz sind bei Projekten, die unter die Notfallverordnung fallen, nicht vorrangig.

Art. 4, Photovoltaik:

Die Genehmigungsverfahren für Photovoltaikanlagen auf künstlichen Strukturen dürfen nicht länger als drei Monate dauern. UVP-Verfahren für derartige Anlagen entfallen. Bei PV-Anlagen bis 50 kW gilt die Genehmigung als erteilt, wenn die zuständige Behörde binnen eines Monats auf den Antrag nicht geantwortet hat.

Art. 5, Repowering:

Beim Repowering geht es um die Kapazitätserhöhung bestehender Anlagen, in den meisten Fällen um Windkraftanlagen. Repoweringverfahren dürfen nicht länger als sechs Monate dauern, einschließlich allenfalls nötiger UVP. Führt das Repowering zu einer Kapazitätserhöhung von max. 15% sind die Netzanschlüsse binnen drei Monaten zu genehmigen.

Eine allfällig erforderliche UVP darf sich nur auf die Änderung oder Erweiterung im Vergleich zum ursprünglichen Projekt beziehen.

Art. 6, Verfahrensbeschleunigung:

In Gebieten, die vom zuständigen (Landes-)Gesetzgeber als Ausbaugebiete für erneuerbare Energie festgelegt wurden, entfallen UVP-Verfahren für Einzelprojekte, wenn das gesamte Gebiet einer strategischen Umweltprüfung unterzogen wurde.

Art. 7, Wärmepumpen:

Genehmigungen von Wärmepumpen mit einer Leistung bis 50MW müssen binnen eines Monats erteilt werden, Genehmigungen für Erdwärmepumpen innerhalb von drei Monaten.

Netzanschlüsse für Pumpen mit geringer Leistung (bis 12kW bzw. bis 50kW bei Eigengebrauch) sind unmittelbar nach Mitteilung zu genehmigen, sofern weder Sicherheitsbedenken noch Probleme mit der Netzkompatibilität vorliegen.

Gemeinden brauchen Rechtssicherheit

Die Umwelt- und Energieminister wollten mit der raschen Beschlussfassung dieser Verordnung zeigen, dass Europa handlungs- und beschlussfähig ist und der Ausbau erneuerbarer Energie nicht innerstaatlich torpediert werden darf.

Die Maßnahmen erscheinen insgesamt schlüssig, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Die Herausforderung jetzt besteht allerdings in der Zusammenarbeit aller maßgeblichen Akteure. Hier hinkt man in Österreich nach, denn bis dato gab es keine pro-aktive Kommunikation gegenüber den Gemeinden.

Gefragt wäre etwa eine Übersicht jener Regeln, die durch die Verordnung ausgehebelt werden, sei es in den Bauordnungen, sei es im Raumordnungsrecht. Schließlich brauchen auch die Gemeinden Rechtssicherheit und sollten nicht erst von gut informierten Antragstellern über das Inkrafttreten neuer Gesetze informiert werden.

Vorzeigebeispiele besser kommunizieren

Weiters sollte bedacht werden, dass eine frühzeitige Kommunikation auf lokaler Ebene wesentlich ist, um Verständnis und Zustimmung zu generieren. Das sagt eigentlich der Hausverstand, aber nicht nur in Österreich gibt es diesbezüglich best- und worst practices:  Während in Norwegen der Ausbau von Windparks zurückgefahren werden musste, weil Bevölkerung und Gemeinden mangels Vorabinformation und Mitsprachemöglichkeit dagegen Sturm liefen, setzen dänische Betreiber schon seit Jahrzehnten auf Bürgerbeteiligung und genossenschaftliche Anlagen.

Man kann also immer von anderen lernen. Erfreulich wäre jedoch eine Orientierung an den best practices…

-D. FRAISS

Zur Autorin

Mag. Daniela Fraiss leitet das Brüsseler Büro des Österreichischen Gemeindebundes.

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