Frauen wandern eher ab als Männer
Theresia Oedl-Wieser, Leiterin der Abteilung Ländliche Sozialforschung an der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen, erläuterte, dass die Mobilität zwischen Räumen (städtisch – stadtnahe – ländlich) Teil der Wahlbiografie junger Menschen sei.
Die Binnenabwanderung von ländlichen zu städtischen Räumen sei in der Altersgruppe der 15- bis 29-Jährigen am dynamischsten und Frauen wanderten tendenziell früher ab als Männer. Die Rückwanderung wie auch die Zuwanderung von Frauen könne, neben verbesserten Rahmenbedingungen, durch Offenheit in den Regionen und durch die Wertschätzung ihrer Potenziale unterstützt werden.
Rückkehrerinnen sind selbstbewusster
Das Projekt „Frauen und lebendige ländliche Räume“ untersuchte unter anderem, welche Voraussetzungen es braucht, damit die Bleibe- und
Rückkehrperspektiven für Frauen steigen, und wie diese mit bestehenden strukturellen Benachteiligungen in ihrer Region umgehen.
Die Interviews mit rund 50 Frauen brachten zahlreiche Erkenntnisse, die Oedl-Wieser in die Beantwortung der Frage, was für eine geschlechtergerechte ländliche Gesellschaft zu tun sei, mit aufnahm. So gelte es mehr Sensibilität für die strukturellen Benachteiligungen von Frauen sowie für deren Bedarfe zu entwickeln und deren transformatives Potenzial besser zu nutzen.
Die Gruppe der Rückkehrerinnen zeigte in den Befragungen nach ihrer Rückkehr ein größeres Selbstbewusstsein und mehr Mut zu selbstbestimmten Lebensmodellen als beim Weggehen aus der Herkunftsregion. Auf Basis einer höheren Diversität in den ländlichen Gesellschaften könnten innovative ländliche Entwicklungsprozesse angestoßen und gestärkt werden.
Zahlreiche Studien belegen darüber hinaus, dass sowohl berufliche als auch private Netzwerke für Frauen, vor allem in Phasen der Neuorientierung, eine wichtige Rolle spielen. Diese gelte es in den ländlichen Regionen zu fördern. Den Fokus solle man zudem nicht nur auf das Weggehen und Zurückkehren legen, sondern zukünftig vermehrt auf die Zuwanderung setzen.
Allgemeine Aussagen sind schwierig
Tatjana Fischer, stellvertretende Leiterin des Instituts für Raumplanung, Umweltplanung und Bodenordnung der Universität für Bodenkultur Wien, wies auf die ungenügende Datenlage hin, die wissenschaftlich fundierte Aussagen über den Grad der Raum(typen)bezogenheit der subjektiven Lebensqualität von Frauen in ländlichen Gemeinden nicht zulässt und daher die Politikberatung erschwert.
Die vorhandenen empirischen Befunde zu Österreich erlauben jedoch folgende Aussagen: Die Lebensqualität von Frauen in ländlichen Räumen hängt von der Lebensphase, der individuellen Wanderungsbiografie, der Lebenslage, der Relevanz weiterer Wohnsitze, der Erwerbsbeteiligung und den Fürsorgeaufgaben ab. Generelle alters- und geschlechtsbezogene Zuschreibungen sind daher nicht zulässig. Hinzu kommt, dass die gefühlte Lebensqualität nicht unbedingt mit „objektiven“ Bedingungen wie der Infrastruktur in einer Gemeinde zusammenhängt.
Frauen müssen öfter gefragt werden
Nicole Zehetner-Grasl, Bürgermeisterin von Hofkirchen im Traunkreis und seit einem Jahr jüngste Ortschefin in Österreich, sieht im ländlichen Raum noch Potenzial für die verstärkte Beschäftigung mit frauenpolitischen Themen. Um hier voranzukommen, sollten Frauen im Leben der Gemeinde und in der Politik stärker eingebunden werden. Dazu müssten Frauen öfter gefragt werden, Ämter anzunehmen und sich zu engagieren, da sich viele das beim ersten Mal nicht zutrauen würden.
„Wenn immer wieder nachgefragt wird, werden sich Frauen auch mehr beteiligen“, so die Bürgermeisterin. Wichtig sei dabei, dass auch Frauen als Vorbilder – als Obfrau in Vereinen oder als Bürgermeisterin – vorangehen und diese Vorbildfunktion auch kommuniziert wird.
Anlegen müssen eingefordert werden
Veronika Mickel-Göttfert, Vizepräsidentin des Ökosozialen Forums Österreich & Europa und Bezirksvorsteher-Stellvertreterin in Wien-Josefstadt, strich heraus, dass strenge Dichotomien und verallgemeinernde Zuschreibungen zur Stadt oder zum Land nicht funktionierten. Frauenpolitische Themen beträfen Frauen in der Stadt und am Land gleichermaßen. Die Infrastruktur wie zum Beispiel Kinderbetreuung sei wichtig.
Hier gehe es um ein politisches Wollen, aber auch um ein Wollen der Frauen. Wichtige Anliegen müssten von Frauen auch klar eingefordert werden. Um Stadt und Land für Frauen attraktiver zu machen, brauche es eine Atmosphäre der Offenheit, in der verschiedene Lebensentwürfe akzeptiert würden.
Aufbrechen von Geschlechterrollen ist gerade am Land schwierig
Hermine Hackl, Präsidentin des Ökosozialen Forums Niederösterreich, wies auf die Verknüpfungen zwischen Stadt und Land hin. Es gehe – gerade für multilokal lebende Frauen – auch darum, das Beste aus beiden Welten herauszuholen.
Tendenziell sei im peripheren ländlichen Raum die Gesellschaft noch etwas stärker männlich dominiert und das Aufbrechen von Geschlechterrollen erzeuge ein wenig mehr Irritation als in der Stadt. Wenn sich aber Frauen im Ehrenamt oder als Unternehmerin engagieren und ihren Job gut machen, wüssten das Männer auch am Land zu schätzen. Wichtig sei jedenfalls der Mut zu selbstbestimmten Lebensentwürfen – in der Stadt und am Land – und die Möglichkeit, diese zu leben.
-REDAKTION (erstmals erschienen auf KOMMUNAL.at)