Recht

12.08.2024

Was, wenn sich kein Bürgermeisterkandidat mehr findet?

Es ist unbestritten jene Funktion, der die Bevölkerung das größte Vertrauen entgegenbringt und mit der in hohem Maß die Möglichkeit verbunden ist, seine Gemeinde positiv zu gestalten und weiter zu entwickeln. Gleichzeitig ist mit dem Amt eine enorme rechtliche und menschliche Verantwortung ebenso verbunden wie eine hohe, oft unerfüllbare Erwartungshaltung der Bevölkerung. Das Amt der Bürgermeisterin bzw. des Bürgermeisters ist alles andere als ein „einfacher Job“ und er wird zunehmend herausfordernder. Ein Indiz dafür ist der Umstand, dass seit Jahren die Suche nach einer geeigneten Nachfolgerin oder eines Nachfolgers für die im Amt befindlichen Ortschefinnen und -chefs signifikant schwieriger wird. Ob Bürgermeisterdirektwahl oder Wahl aus der Mitte des Gemeinderates macht dabei keinen wesentlichen Unterschied, die Problematik zieht sich durch die Gemeinden vom Boden- bis zum Neusiedlersee.

Was tun bei chronischem Kandidatenmangel?

Was aber passiert, wenn sich überhaupt kein potentieller Kandidat mehr findet? Gibt es einen Plan „A“? Und was, wenn dieser nicht „funktioniert“?. Die einzelnen Gemeindeordnungen und Stadtrechte geben darauf unterschiedliche Antworten – ohne für den „worst case“ tatsächlich eine abschließende Lösung parat zu haben.

Nach den meisten Gemeindewahlordnungen der Bundesländer, in denen eine Bürgermeisterdirektwahl vorgesehen ist, wird für den Fall, dass kein Kandidat zur Wahl antritt, der Bürgermeister aus der Mitte des Gemeinderates von diesem gewählt. § 37 Abs. 7 der Salzburger Gemeindewahlordnung sieht vor, dass dann, wenn kein gültiger Wahlvorschlag fristgerecht für die Wahl des Bürgermeisters eingeht, der Bürgermeister von der neugewählten Gemeindevertretung aus deren Mitte zu wählen ist (vgl. inhaltlich gleich auch § 45 Abs. 8 TGWO oder § 37 Abs. 7 OÖ KWO, die ebenfalls eine Wahl durch den Gemeinderat vorsehen). In Niederösterreich ist (ebenso wie in der Steiermark) von vornherein keine Direktwahl vorgesehen. Die NÖ GemO bestimmt in den §§ 98 ff. dass die Bürgermeisterin bzw. der Bürgermeister vom Gemeinderat, der in einer qualifizierten Mehrheit anwesend sein muss, aus seiner Mitte gewählt wird. Verweigert der Gewählte die Annahme der Wahl muss binnen zwei Wochen eine neuerliche Wahl durchgeführt werden (§ 100 NÖ GemO).

Aus den vorstehend genannten Beispielen ist erkennbar, dass für den Fall, dass bspw. bei der Bürgermeisterdirektwahl kein Wahlvorschlag eingebracht wird oder keine Annahme der Wahl erfolgt, die Gesetzgeber einen Plan „B“ entwickelt haben. Was ist die Konsequenz, wenn auch dieser Plan „B“ nicht greift – etwa wenn kein Mitglied des Gemeinderates bereit ist, sich zur (internen) Wahl zu stellen oder kein Mitglied die Wahl annimmt? Gibt es für diesen, zwar unwahrscheinlichen, aber nicht auszuschließenden Fall, einen Plan „C“? Gibt es – auch wenn sich die weitere Vorgangsweise dann vom Wahl- in das Gemeindeaufsichtsrecht verschiebt.

Auflösung des Gemeinderats als letzte Konsequenz

Die in Tirol vorgesehene Folgewirkung, wonach in diesem – äußersten Fall – der Gemeinderat von der Landesregierung aufzulösen wäre und Neuwahlen auszuschreiben sind, wird auch in den anderen Bundesländern nicht auszuschließen sein. Verfassungsgesetzlich ist dieses aufsichtsbehördliche Instrument der Auflösung des Gemeinderates in Art 119a Abs. 7 B-VG verankert. Trotz der unterschiedlichen Ausgestaltung in den einzelnen Gemeindeordnungen (vgl. § 72 S. GdO 2019, § 103 Abs. 1 lit d Ktn. AGO, § 107 OÖ GemO, § 94 NÖ GemO etc.) bildet die dauernde Beschlussunfähigkeit – von der bei dem dauerhaften Fehlen eines Vorsitzenden des Gemeinderates oder eines Stellvertreters auszugehen sein wird – einen Anwendungsfall für dieses Schärfste aller aufsichtsbehördlichen Instrumente, dessen Konsequenz letztlich Neuwahlen sind.

Gemeindezusammenlegung als Folge eines Kandidatenmangels nicht wahrscheinlich

Bildet – wenn sich nach den Neuwahlen nichts ändert – die Auflösung bzw. Zusammenlegung mit einer anderen Gemeinde – dann den Plan „D“? Diese Konsequenz kommt – zumindest als aufsichtsbehördliche Maßnahme – nicht mehr in Frage. Die aufsichtsbehördlichen Mittel müssen in den Grundsätzen des Art 119a B-VG ihre Deckung finden, dies wird bei einer Auflösung der Gemeinde aus diesem Anlass kaum verfassungsrechtlich sauber begründbar sein.

Ob im Hinblick auf den Umstand, dass manche Szenarien, die uns heute noch hypothetisch erscheinen, diese in wenigen Jahren in die Realitätsnähe rücken können, die Gesetzgeber auf gänzlich neue Ideen kommen, wird sich zeigen.

Kann am Ende jeder und jede Bürgermeister werden?

In Bayern sieht die Gemeinde- und Landkreiswahlordnung (§ 77 Abs. 3 GLKrWO) jedenfalls vor, dass dann, kein Wahlvorschlag vorliegt, die Stimmberechtigten jede wählbare Gemeindebürgerin bzw. jeden wählbaren Gemeindebürger auf dem Stimmzettel handschriftlich eintragen können. Wer mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhält, ist der neue Bürgermeister.

-M. HUBER

Zum Autor

Dr. Martin Huber ist Jurist und Direktor des Salzburger Gemeindeverbandes.

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