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Bundesländer

23.08.2019

Zwei starke Frauen an der Spitze von Gloggnitz

Die niederösterreichische Gemeinde Gloggnitz hatte mit Zenzi Hölzl eine der ersten Bürgermeisterinnen Österreichs. Anlässlich des Weltfrauentages blickt die aktuelle Bürgermeisterin Irene Gölles auf die Errungenschaften ihrer Vorgängerin zurück und zieht Vergleiche zu ihrer heutigen Situation.

Die Geschichte der Zenzi Hölzl, die eine der ersten Bürgermeisterinnen Österreichs war, steht stellvertretend für viele Frauen, die in ihrem Bereich Vorkämpferinnen waren. Als Kreszentia Hölzl am 28. November 1893 geboren wurde, starb ihre Mutter bei der Geburt, der Vater als sie zehn Jahre alt war. Bereits mit 13 Jahren musste sie arbeiten gehen – erst bei einem Bauern, dann in einer Schraubenfabrik in Neunkirchen. Die ganze Region erlebte vor der Jahrhundertwende durch die Industrialisierung einen enormen Aufstieg. Als 1842 auch noch die Eisenbahn von Wien nach Gloggnitz führte, ist die Weiterentwicklung für die nächsten Jahrzehnte nicht mehr aufzuhalten.

Der wirtschaftliche Erfolg einiger weniger, fußte aber auf der Armut und Ausbeutung der Arbeiter/innen. Gerade in den beiden Weltkriegen mussten viele Frauen die Erwerbsarbeit ihrer Männer übernehmen bzw. Kriegsdienst leisten. Dies prägte auch Hölzl. Sie begann sich für ein gerechteres Österreich einzusetzen. Mit 24 Jahren trat sie im Jahr 1917 der Sozialdemokratischen Partei und Gewerkschaft bei. Als ihr Mann als Schwerinvalider aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehrte, pflegte sie diesen bis zu seinem Tod wenige Jahre später und übernahm seine Trafik, die ihm aufgrund seiner Invalidität zugesprochen wurde. Die Trafik diente auch in der Zeit des Austrofaschismus als Treffpunkt für die Sozialdemokrat/innen aus der Region.

Das politische Engagement ließ Zenzi Hölzl nicht mehr los: Sie war schon vor ihrer Bürgermeisterfunktion Gemeinderätin, Vorsitzende der Bezirksorganisation Neunkirchen und von 1945 bis 1949 Mitglied des Niederösterreichischen Landtags. Im Jahr 1948 folgte schließlich die Wahl zur Bürgermeisterin, ein Amt, das sie bis zu ihrem Tod 1958 ausüben sollte.

Bürgermeisterin in einer der schwierigsten Zeiten

Aus meiner Warte als heutige Gloggnitzer Bürgermeisterin ist es bewundernswert, dass sie nicht nur eine der ersten Bürgermeisterinnen war, sondern dass sie diese Funktion in einer sehr schwierigen Phase, nämlich in der Nachkriegszeit übernommen hat. Außerdem, so sagte sie ja selber, hat sie ihr Amt ängstlich angetreten, denn die Zweifel in der eigenen Fraktion wie auch in der Bevölkerung, dass Frauen für solche Ämter nicht geeignet sind, waren stark.

Zenzi Hölzl war davon überzeugt, dass Frauen, in politischen Funktionen, die gleichen Leistungen erbringen können, wie Männer. Mit der Ausübung ihres Amtes wollte sie auch erreichen, dass die Frauen öffentlich anerkannt werden.

Mut für vorausschauende Projekte

Zenzi Hölzl war es wichtig, sozialen Wohnbau zu errichten, damit adäquater Wohnraum vorhanden war. Weiters lag ihr auch sehr viel daran, Freizeiteinrichtungen bauen zu lassen, damit auch den Kindern eine sinnvolle und vor allem leistbare Freizeitgestaltung möglich war.

Unglaublich vorausschauend finde ich es, dass sie sich dazu entschlossen hat, eines der modernsten öffentlichen Bäder, österreichweit, errichten zu lassen. Und dies in einer Zeit, wo es wahrscheinlich viele andere Projekte gegeben hat, welche erledigt hätten werden müssen. Aber ihr war es wichtig, allen Menschen, egal aus welcher sozialen Schicht, Lebensqualität zu bieten.

Bürgermeisterin Irene Gölles mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner bei der 20-Jahres-Feier „Weltkulturerbe Semmeringeisenbahn“.

Irene Gölles – Mit eigener Liste ins Bürgermeisterinnenamt

Als ich 2010 im Alter von 56 Jahren mit 28 Stimmen zur Bürgermeisterin der Liste „Wir für Gloggnitz„, die nur acht der insgesamt 29 Sitze im Gemeinderat hatte, gewählt wurde, waren die Vorzeichen nicht weniger einfach. Von 2000 bis 2009 war ich bereits Vizebürgermeisterin, doch Differenzen mit dem damaligen Bürgermeister bewogen mich dazu, mit einer Liste zu den Gemeinderatswahlen 2010 anzutreten. Als Gemeindebedienstete und langjähriges Mitglied im Gemeinderat war ich damals für die Gloggnitzerinnen und Gloggnitzer kein unbekanntes Gesicht mehr.

Als meine wichtigsten Eigenschaften würde ich Überzeugungskraft, Selbstbewusstsein („Ich bin genau so gut, wie die männlichen Kollegen“), Fleiß und Bürgernähe bezeichnen. Natürlich zweifelte ich aber auch manches Mal daran, ob diese Eigenschaften genügen, um in dieser Funktion zu bestehen – aber auch aus Gesprächen mit männlichen Kollegen weiß ich, dass diese Zweifel von Zeit zu Zeit, jeder hat und dies nichts mit „weiblicher Schwäche“ zu tun hat, sondern einfach mit jeder Tätigkeit, die ein hohes Maß an Verantwortung beinhaltet. Vielleicht, aber dies soll keine Unterstellung an die Männer sein, ist dieses Verantwortungsbewusstsein bei Frauen einfach ein wenig stärker ausgeprägt und führt deswegen zu einer gewissen Scheu, politische Verantwortung zu übernehmen. Verstärkt wird dies möglicherweise auch immer wieder dadurch, dass der Fokus auf Frauen in Führungsfunktionen ein schärferer ist und immer noch einige Männer in veralteten Denkstrukturen auf das Scheitern des „Schwachen Geschlechts“ warten.

Wenn ich nun an die Zeit meiner Vorgängerin Zenzi Hölzl denke, dann ist es wahrscheinlich etwas einfacher geworden, da es ja heute doch schon einige Bürgermeisterinnen gibt und auch die Stellung der Frau in der Gesellschaft hat sich doch wesentlich verbessert.

Die gute Idee zählt, nicht die Partei

Mir ist es wichtig, unparteiisch zu agieren und einstimmige Entscheidungen (nach vorherigen ausführlichen gemeinsamen Diskussionen) im Gemeinderat, herbeizuführen. Natürlich gibt es auch im Verantwortungsbereich des Gemeinderates Hierarchien und Entscheidungsstrukturen, aber gute Ideen und Meinungen sind kein Privileg der Mehrheit, sondern können auch von kleinen Fraktionen und sogar Einzelnen kommen. Mit dieser Ansicht glaube ich, mich doch von meinem Vorgänger und auch von anderen Bürgermeistern zu unterscheiden. Vielleicht ist auch dies gerade eine generelle Eigenschaft, die Frauen viel stärker in die Politik einbringen können.

Mein Augenmerk liegt natürlich auch auf dem Erhalt und Ausbau von Einrichtungen wie Kinderbetreuung, Freizeiteinrichtungen, leistbares Wohnen und vor allem darauf, die Stadt am Ende meines Wirkens ein wenig besser und lebenswerter FÜR ALLE zu wähnen. Dieses Ziel, etwas verbessern und sozialer gestalten zu wollen, war sicher ein großer Antrieb dafür, „JA“ zur Aufgabe Bürgermeisterin zu sagen.

Unterstützung der Familie für Frauen immer noch nicht selbstverständlich

Bei meinen Gesprächen mit Frauen, sich auch in der Politik zu engagieren, ist immer wieder zu hören, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein großes Hindernis darstelle. Es ist leider immer noch so, dass Kindererziehung, Hausarbeit und eventuelle Pflege von Familienangehörigen zum Großteil von den Frauen erledigt wird. Für eine Mitarbeit bzw. Übernahme einer politischen Funktion als Frau ist daher die Mithilfe der Familie ganz wichtig. Ein Mann braucht sich bei einer solchen Entscheidung mit diesen Fragen vielerorts immer noch nicht auseinanderzusetzen.

Vieles des Gesagten lässt sich eins zu eins von der politischen Ebene auch auf die wirtschaftliche Ebene übertragen. Denn auch in den Führungs- und Entscheidungsebenen der Unternehmen ist der weibliche Einfluss viel zu gering. Diskussionen über erzwungene Quoten für Positionen in Entscheidungsebenen halte ich für den falschen Ansatz, weil diese oft wie ein „belächeltes Geschenk“ gelten. Es muss, und hier sind wir noch weiter von der Gleichstellung entfernt, als es viele glauben und hoffen, selbstverständlich werden, dass Frauen der Zugang zu allem möglich ist, was auch Männern möglich ist. Wichtig ist dafür aber auch, dass wir Frauen einfach öfter mit mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen mutige Schritte wagen – erfolgreiche Beispiele dazu gibt es ja sowohl im politischen, als auch in jedem anderen Bereich.

Die erste Bürgermeisterin Österreichs

Maria Rothschädl war laut heutigem Erkenntnisstand die erste Bürgermeisterin Österreichs. Sie wurde am 1. Juni 1946 vom Gemeinderat gewählt. Sie trat damit für ein Jahr an die Stelle ihres Vaters, der dieses Amt bis zum Kriegsende ausgeführt hat.

Bgm. Irene Gölles,

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