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23.08.2019

Coworking im Gemeindewirtshaus

Ein leer stehendes Wirtshaus in bäuerlicher Umgebung, ein Dorf am Rande des Speckgürtels mit Wachstumspotenzial und junge Kleinstunternehmer auf der Suche nach einem Standort. Was eine Gemeinde aus diesen Zutaten machen kann, zeigt sich in Obersdorf.

Mitten im Ortszentrum von Obersdorf in der Gemeinde Wolkersdorf, neben Kindergarten und Kirche, direkt an der Hauptstraße befindet sich das ehemalige Gemeindegasthaus. Einige Zeit lang stand das Gebäude, das Eigentum der Stadtverwaltung ist, aber leer, und es stellte sich die Frage, wie man diesem alten Gebäude neues Leben einhauchen könnte. Die Bevölkerung wollte einen Wirt, die Gemeinde suchte nach einer Möglichkeit, die Räumlichkeiten zum Verbessern des Wirtschaftsstandorts zu nutzen. „Mir war es ein Anliegen, jungen Einsteigern eine Möglichkeit zu schaffen“, erzählt Bürgermeisterin Anna Steindl. Und so entstand eine Fusion aus Wirtshaus und Coworking-Büros.

Wirtschaftsförderung und Gasthaus in Einem

Im Zuge des Projekts wurde das gesamte Gebäude saniert, die Räumlichkeiten modernisiert und ein unabhängiger zweiter Eingang mit Lift und Stiegenhaus gebaut. Die Räume im Obergeschoss werden nun teils ständig, teils im Rahmen des Coworking-Space von der Gemeinde vermietet. Dieses neue Konzept bietet vor allem jungen Unternehmern im Austausch gegen einen unverbindlichen Mietpreis einen voll ausgestatteten Arbeitsplatz. Statt im Home-Office können Selbstständige hier je nach Bedarf einen Schreibtisch mit modernster Ausstattung für eine bestimmte Anzahl an Tagen mieten. Unabhängig davon befindet sich im Erdgeschoss das nun neu bewirtschaftete Gasthaus.

Sofortige Unterstützung durch Gemeinde

Um dieses Projekt zu verwirklichen, wurde zunächst ein Verein gegründet, der nun offizieller Betreiber des Coworking Space Obersdorf ist und gemeinsam mit der Gemeinde die Idee vorangetrieben hat. Die Gemeinde Wolkersdorf ist nicht nur Eigentümerin, sondern hat auch das gesamte Projekt allein finanziert. Schlussendlich ist diese Neugründung auch im Interesse der Gemeinde: Als Wirtschaftsstandort genießt Wolkersdorf aufgrund der geografischen Lage eine hohe Nachfrage und die Katastralgemeinde Obersdorf bietet Möglichkeiten zum Wachstum.

Nach einem langen Weg eröffnete das neue Gasthaus mit darüber liegenden Coworking-Büros im November 2017 seine Tore. Bei der festlichen Eröffnung dabei waren Bürgermeisterin Anna Steindl (1. Reihe, 3. v. li.) und Nathalie Aubourg, die das Coworking-Konzept nach Wolkersdorf brachte. (3. v. re.).

Easycheesy, Feine Mitte und Superflex

Die Unterstützung von jungen Ein-Personen-Unternehmen, die je nach Bedarf zwischen drei verschiedenen Preispaketen wählen können, läuft daher im Rahmen einer Wirtschaftsförderung. Um nur 100 Euro pro Monat kann man mit dem Easycheesy-Paket seinen Schreibtisch an neun Tagen nutzen, für 175 Euro liegt man bei 16 Nutzungstagen in der „Feinen Mitte“, und im Superflex-Paket steht einem für 250 Euro pro Monat die unbegrenzte Nutzung des Arbeitsplatzes zur Verfügung. Einzige Bedingung ist, dass man seinen Schreibtisch am Ende des Tages sauber hinterlässt. Darüber hinaus steht für Vereine oder externe Unternehmen ein Besprechungsraum zur Verfügung, der um zwölf Euro für eine Stunde, um 33 Euro für drei Stunden oder um 100 Euro für einen ganzen Tag gemietet werden kann.

Ein Projekt mit Vorbildfunktion

Indem in den Räumen und der angrenzenden Anbindung zum Kindergarten und Veranstaltungssaal eine ausgezeichnete Infrastruktur zur Verfügung gestellt wird, „soll eine Basis für den Start in die Eigenständigkeit geschaffen werden“, erklärt Steindl. Vor allem entstünden dadurch auch Vernetzungsmöglichkeiten zwischen den einzelnen Unternehmern, die zu größeren internen Kooperationen und Unternehmenswachstum führen. Dass das Projekt eine beispielhafte Wirkung für zukünftige Entwicklungen hat, daran hat die Bürgermeisterin keinen Zweifel.

Arbeiten in familiärem Umfeld

Das neue Coworking Space wird von den Bewohnern Obersdorfs sehr gut angenommen, und vor allem steigert es auch das Bewusstsein der Bevölkerung für die jungen, oft noch unbekannten Unternehmen und ist auch von der Gemeinde öffentlichkeitswirksam vermarktbar. „Es wirkt eigentlich immer sehr belebt“, meint Ilse Höfenstock von NÖ.Regional, die derzeit um Landesförderungen für das Projekt ansucht. Insgesamt habe die Gemeinde Kosten von etwa 1,9 bis zwei Millionen Euro getragen. Es sei schließlich neben den Räumlichkeiten auch der gesamte Außenbereich wie auch der angrenzende Veranstaltungssaal saniert worden, so Höfenstock. „Ein Gasthaus ist für so eine kleine Dorfgemeinschaft sehr wichtig“, resümiert sie. Hier habe die Gemeinde Wolkersdorf schnell reagiert, Wirtshaussterben verhindert, das Gasthaus neu verpachtet und gleichzeitig in Wirtschaftswachstum investiert, betont die Regionalberaterin.

Das Coworking Space Obersdorf ist Beispiel dafür, wie solche Probleme auf effiziente Weise gelöst werden können. Dass es effektiv genutzt wird, zeigt die fast familiäre Atmosphäre, bei der nebeneinander gearbeitet und zwischendurch bei einem Kaffee genetzwerkt wird. Wenn der Hunger sich meldet, verlegt man das Gespräch ins Erdgeschoss, wo bei gemütlichem Wirtshausambiente zu Mittag gegessen wird und möglicherweise Kooperationen begründet werden.

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