© Räumliches Entwicklungsleitbild der Marktgemeinde Velden

Kärnten

23.08.2019

Raumordnung: Velden gibt die Richtung vor

Velden ist die erste große Tourismusgemeinde, die freiwillig einen neuen Weg in der Raumordnungspolitik einschlägt. Dabei handelt man in der Gemeinde nicht nur aus Altruismus, sondern auch um für Bewohner und Touristen weiterhin attraktiv zu bleiben.

Ein Kasino, ein Schloss und ein schöner, großer See – das sind die „Zutaten“ die Velden am Wörther See seit den 1970er Jahren zu dem mondänen Mekka der VIPs und aller, die sich dazu zählen, gemacht hat. Mit fast 523.000 Nächtigungen im Jahr 2018 – das sind 58 Mal so viele Gäste wie Einwohner – wird klar, welch hohen Stellenwert der Tourismus in der Gemeinde genießt. Trotz oder gerade wegen des starken Wirtschaftszweigs schlägt die Gemeinde nun ganz neue Wege in der Raumordnungspolitik ein.

Wende zur generationentauglichen Ortsentwicklung

„Es geht um langfristiges Denken und Planen. Wir möchten die schöne Landschaft und den einzigartigen Seeblick, den die Besucher und Bürger gleichermaßen schätzen, erhalten. Daher musste nun eine Trendwende eingeleitet werden“, erklärt Veldens Bürgermeister Ferdinand Vouk die Neuausrichtung zur generationentauglichen Ortsentwicklung.

Verlassen konnte sich Vouk bei diesem Vorhaben auf die Unterstützung des Gemeinderates. Dieser hat das langfristige Gesamtkonzept mit einer befristeten Bausperre im Seeuferbereich, einer Deklaration zur nachhaltigen Entwicklung der Seeufer, einem neuen Örtlichen Entwicklungskonzept, dem Bebauungsplan der gesamten Gemeinde, die aktualisierte Vertragsschablone für privatrechtliche Vereinbarungen zwischen der Gemeinde und den Baulandwidmungswerbern mit ausgearbeitet und einstimmig beschlossen.

Keine Neuausrichtung ohne Überzeugungsarbeit

Vorgestellt wurden die neuen Pläne der Bevölkerung im Zuge von Bürgerversammlungen. „Natürlich hat es bei den unmittelbar Betroffenen Kritik gegeben“, gibt der Bürgermeister der 9.000-Einwohner-Gemeinde zu. Um auch die Kritiker zu überzeugen, half zum einen die Unterstützung externer Partner wie Ziviltechniker, Umweltfachleute und Architekten bei der Erstellung der neuen Konzepte und Pläne sowie der direkte Kontakt zur Bevölkerung, wie Vouk erklärt: „Die meisten Einwendungen haben wir bei Begehungen mit den Planern ausgeräumt. Sie haben mit den betroffenen Eigentümern erörtert, wie künftige Bauvorhaben und Projekte mit den Vorgaben des neuen Bebauungsplanes in Einklang gebracht werden können. Heute beurteilt die Bevölkerung den Planungsprozess als weitblickende Entscheidung.“

Die konkreten Maßnahmen sind alles andere als oberflächlich: Im Bebauungsplan werden beispielsweise Baulinien festgelegt, innerhalb derer künftige Bauten errichtet werden können. Dadurch wird versucht, ein geordnetes Bebauungsbild zu erzeugen und auch wichtige Sichtachsen freizuhalten. Geregelt werden künftig auch Bebauungsdichten, Bebauungsweisen und maximale Geschosshöhen. Erstmals wurden auch Regelungen für das Grünland im Seebereich festgelegt. Damit soll einer weiteren Verbauung der Seeufer Einhalt geboten werden.

Vouk sieht in der genauen Festlegung auch einen Vorteil: „Durch den Bebauungsplan können auch potenzielle nachbarschaftliche Konflikte schon im Vorfeld vermieden werden, denn durch die Festlegung von maximalen Bauhöhen und Abständen ist auch für die jeweiligen Nachbarn ein gesicherter Rahmen gewährleistet, der deren Interessen schützt.“ Die genauen Vorgaben implizieren aber auch, dass Bauvorhaben abgelehnt werden müssen, wenn sie nicht den erforderlichen Kriterien entsprechen.

Bürgermeister Ferdinand Vouk freut sich, dass die Raumentwicklung in seiner Gemeinde künftig generationentauglich sein wird. Mit dem Plan stößt er bereits auf Interesse anderer Gemeinden und Regionen.

Gemeinwohlinteresse künftig im Vordergrund

Mit diesem umfangreichen Vorhaben möchte die Gemeinde die Balance zwischen dem Gemeinwohl, den wirtschaftlichen und touristischen Interessen und privaten Vorhaben schaffen. „Wenn man den „Verbrauch“ der Landschaft und die Überformung des Ortsbildes nicht steuernd einbremst und qualitätsvoll wieder aufwertet, entzieht man künftigen Generationen ihre Lebensperspektive“, betont Vouk. Damit entschied sich die Gemeinde auch bewusst dafür, den Bau von neuen Zweitwohnsitzimmobilien, die oft nur wenige Wochen im Jahr benutzt werden, einzudämmen.

Konkret soll das dadurch bewerkstelligt werden, dass innerhalb der touristischen Kernzone im Planungsgebiet künftig im Bauland keine zusätzlichen Sonderwidmungen für Appartementhäuser oder Freizeitwohnsitze mehr festgelegt werden. Außerdem soll die widmungsgemäße Nutzung oder Vermietung von Wohnraum als Nebenwohnsitz stärker kontrolliert werden. Auch in den übrigen Gemeindeteilen soll die Zweitwohnsitzentwicklung beschränkt werden. Außerhalb der touristischen Kernzone werden Sonderwidmungen für Appartementhäuser und sonstige Freizeitwohnsitze nur festgelegt, wenn die Errichtung derartiger Gebäude nachweislich für die Finanzierung von Qualifizierungs- und Erweiterungsmaßnahmen von Hotelbetrieben erforderlich ist und eine Reihe von weiteren Kriterien im öffentlichen Interesse der Gemeinde erfüllt werden.

Architekturbeirat seit zehn Jahren

Das Engagement für ein schöneres Ortsbild gibt es aber schon länger: Vor zehn Jahren wurde bereits ein Architekturbeirat eingesetzt, der die Gemeinde aber auch private Bauwerber bei der Umsetzung ihrer Bauvorhaben berät. Außerdem gibt es in Velden schon seit 2014 eine Begegnungszone, die schrittweise erweitert werden soll.

Großes Interesse anderer Gemeinden

Zwei Effekte sind unmittelbar nach dem Beschluss der Maßnahme eingetreten, wie Ferdinand Vouk berichtet: „Zum einen hoffe ich, dass auch die anderen Wörtherseegemeinden einen ähnlichen Prozess starten, denn wir spüren, dass die Immobilienwirtschaft nun die Fühler in den Nachbargemeinden ausstreckt.“ Eine Abordnung der Marktgemeinde Millstatt war bereits vor Ort, um sich zu informieren, und die nächste Seenkonferenz des Landes Kärnten soll in Velden stattfinden, wo die Gemeinde ihren Planungsprozess ebenfalls vorstellen wird.

Gesetzliche Hilfe gefordert

Die Kosten für das Pionierprojekt in Kärnten lagen bei 635.000 Euro. Dabei wäre es für die Gemeinde leichter, wenn es auch effizientere Steuerungsmöglichkeiten für Gemeinden gäbe. So fordert Vouk beispielsweise eine Novellierung des Kärntner Gemeindeplanungsgesetzes nach dem Vorbild Salzburgs, damit für nicht in Anspruch genommene Baulandreserven auch Rückwidmungen möglich werden.

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